Ehe Insolvenzantragspflicht eingetreten ist: Unglücklicherweise wird die Restrukturierung von Unternehmen in Deutschland häufig zu spät begonnen. Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) verbessert die Erfolgschancen.
Unter dem Ziel, Insolvenzen zu vermeiden, kümmere ich mich schon einige Jahre um die „ESUG/Einfache Sanierung Gesetzgebung“. Neu ist nun in 2021 ein gesetzlicher Rahmen, der Insolvenz vermeidet. Voraussetzung dafür ist, dass Insolvenz nur droht, aber noch keine Insolvenzantragspflicht eingetreten ist. Die Geschäftsführung bleibt dabei am Ruder. Der neue gesetzliche Rahmen heißt StaRUG, was für Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen steht. Der neue Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) verbessert die Erfolgschancen – zum Nutzen aller, die die Bedingungen dafür kennen.
Wer übermäßige Verbindlichkeiten ablegen muss, benötigt unter den Schutz des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens keine umfangreichen Gutachten. Wohl aber eine professionelle Vorbereitung. So muss der Unternehmer die Restrukturierungsnotwendigkeit und die Stabilität des Geschäftsbetriebs für die Phase der Verhandlungen schriftlich darstellen und einem gesonderten Restrukturierungsgericht anzeigen. Wissenswert ist:
- Das Gesetz StaRUG ist adressiert an Unternehmen oder Unternehmer, die drohend zahlungsunfähig, aber nicht insolvenzantragspflichtig sind (§§ 33 (3) StaRUG).
- Verfahrensgrundsätze und -ablauf: Gerichtliche Zuständigkeit (§§ 36,39 StaRUG): Amtsgericht/Insolvenzgericht am OLG-Standort als Restrukturierungsgericht.
- COMI des Schuldners
- Personifizierte Richterzuständigkeit
- Rechtshängigkeit durch Anzeige bei Gericht (§§ 31,32 StaRUG)
- Restrukturierungsplan, hilfsweise ein Grobkonzept
- Sachstandsbericht und laufende Informationspflichten
- Rechtsmittel (§§ 42 StaRUG): Sofortige Beschwerde beim Restrukturierungsgericht
grundsätzlich aufschiebende Wirkung
Im Verlauf des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist es Aufgabe des Unternehmens, einen Restrukturierungsplan zu erstellen. Dieser ist die gesetzlich vorgegebene Grundlage der operativen und finanziellen Restrukturierung. Neben Angaben zu den finanziell notwendigen Maßnahmen enthält er auch alle erforderlichen Restrukturierungsmaßnahmen.
Die Gläubiger müssen diesem Plan zustimmen. Die Einstimmigkeit der Gläubiger ist nicht mehr notwendig. Anders als bei der außergerichtlichen Sanierung ist eine Mehrheit von 75 Prozent ausreichend – wie gesagt: Es muss keine Einstimmigkeit erzielt werden.
Unternehmen sollten sich einen erfahrenen Sanierer – wie mich – an die Seite holen, um den Weg durch den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen gemeinsam zu bewältigen. Ein 2 Dutzend Mitglieder zählender Pool aus Sanierungsprofis hilft unter anderem bei komplexen Sachverhalten und bei den Verhandlungen mit Gläubigern. Der Sanierungsberater muss sowohl das Vertrauen des Unternehmens als auch das der Mehrheit der betroffenen Gläubigerbesitzen.
Woran liegt es, dass Unternehmer noch immer viel zu spät die Sanierung ihres Unternehmens in Angriff nehmen?
Im Einzelfall gibt es sicher eine Vielzahl von Gründen. Da sind vielfältige Sorgen. Sie reichen von der persönlichen Existenz über das eigene Image bis zur Sorge um langjährige Mitarbeiter.
Gründe können mangelnde betriebswirtschaftliche Transparenz sein. Und fehlende Bereitschaft, sich der Realität zu stellen. Und Konflikte innerhalb von Eigentümern und/oder der Geschäftsführung. Ein Grund ist unserem Erleben nach bisweilen ein psychologischer: Das Verdrängen der Realität. Die Psychoanalyse bezeichnet Verdrängung als einen angenommenen psychologischen Abwehrmechanismus. Dieser schließt tabuisierte oder bedrohliche Sachverhalte oder Vorstellungen von der bewussten Wahrnehmung aus. Verdrängung wird hier als gewöhnlicher, bei allen Menschen auftretender, Vorgang aufgefasst. Im Grunde „schützt“ der Geschäftsführer oder Unternehmer sich selbst vor der Realität des unternehmerischen Scheiterns. Hier sind externe Dritte als Gesprächspartner essenziell.
Sicherlich können kaufmännische Unternehmensberater eine wichtige Rolle spielen, damit die Unternehmer nicht zu spät die Chance des präventiven Restrukturierungsrahmens erkennen und ergreifen. Insolvenz ist in Deutschland zu oft ein persönlicher Makel, mit dem man sich nicht beschäftigen möchte – anders als zum Beispiel in den USA.
Mit besten Grüßen
Ulrich Späing
Tel. 0172 – 5 303 174 Bültstiege 14, D 48429 Rheine